Den Wedding entdecken: Führungen durchs Afrikanische Viertel

Hat sich schon mal jemand gefragt, warum es in Berlin ein “afrikanisches” Viertel gibt? Straßen wie die Ghanastraße, Kameruner Straße oder Togostraße strukturieren den Minibezirk am nördlichen Ende des Weddings. Und dann gibt es da noch die beiden Straßen, die nach den Kolonialverbrechern Carl Peters und Adolf Lüderitz benannt sind und zusammen mit dem Nachtigalplatz ein Dreieck kolonialer Vergessenheit bilden.
Nie gehört? Dann wird es Zeit, an einer der von der Berliner NGO “Berlin postkolonial” angebotenen Wedding-Führungen teilzunehmen. Aus Sicht von Berlin-Spaziergänge handelt es sich dabei um eine der besten Führungen, die in Berlin angeboten werden.

Afrikanische Straße

Es sei die Bevölkerungszusammensetzung, die dem Afrikanischen Viertel im Berlin seinen Namen verleihe. Das hört man immer wieder, auch eine einfache Google-Recherche führt zu diesem Ergebnis. Es stimmt: Die Black Community ist im Wedding größer als in anderen Stadtteilen, und einige deutsch-afrikanische Verbände haben just im Afrikanischen Viertel ihren Sitz. Historisch greift diese Namensdeutung aber viel zu kurz. Das Afrikanische Viertel ist vor allem eines: Ein Kolonialviertel, und zwar das größte im Land.

CC-BY-SA-3.0-de

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Die Afrikanisten und Politikwissenschaftler von “Berlin postkolonial” erklären in ihren etwa dreistündigen Touren, wie es zu den Straßenbenennungen im Afrikanischen Viertel kam, schlagen Brücken zur allgemeinen deutschen Kolonialgeschichte und zur Verherrlichung und Heroisierung von Kolonialverbrechen während des “Dritten Reiches”. Der schockierendste dieser Fälle führt die Gruppe zur Petersallee. Nachdem er selbst von in seinem imperialistischen Eifer kaum zu stillenden Kaiser Wilhelm II. unehrenhaft erlassen worden war, erhielt der brutale Kolonialherrscher und “Gründer” von Deutsch-Ostafrika, Carl Peters, unter den Nazis seine Ehre zurück. Hitler persönlich rehabilitierte ihn, Filme, Bücher – und die Petersallee – stilisierten Peters zum Volkshelden.
Die postkolonialen Führungen im Wedding räumen mit dem Mythos des “Afrikaforschers” auf, mit dem allen deutschen Kolonialgründern bis heute eine Art guter Wille attesttiert wird.

Keineswegs ist dies jedoch eine rein historische Führung. Der Bezug zur Gegenwart bleibt gewiss, ebenso wie die Begegnung mit dem ein oder anderen angriffslustigen Anwohner während der Führung. Die Straßenumbenennungsinitiative von “Berlin postkolonial” und anderen Verbänden steht anderen Einwohnerinteressen gegenüber. All das ist Thema dieser wirklich sehr empfehlenswerten Führung. Übrigens: Die Guides sind echte Experten auf ihrem Gebiet und diskutieren gern. Doch auch, wer bisher wenig über Kolonialgeschichte weiß, wird hier auf seine Kosten kommen. Denn: Dumme Fragen gibt es nicht.

Petersallee

Mehr Infos: Direkt beim Veranstalter “Berlin postkolonial”

Kosten: 8 hervorragend investierte Euro.

Was noch? Tja, kommt er nun, der Wedding oder doch nicht? So oder so – die Freizeitgestaltung nach der Postkolonial-Führung hängt vor allem von der Jahreszeit ab. An heißen Sommertagen solltet ihr unbedingt eure Fahrräder dabei haben und noch ein paar wenige Kilometer nach Norden fahren. Dort lässt es sich, trotz Fluglärm, am Flughafensee hervorragend baden. Zum anderen gibt es ja auch im Wedding Kultur, wenn vielleicht auch eher bodenständigen Formats. Warum also nicht mal wieder eine Folge “Gutes Wedding, schlechtes Wedding” im Prime-Time-Theater gucken? Oder die prosaischere Variante wählen und den Brauseboys beim Vorlesen lauschen?

Essen und Trinken in der Nähe:
Cool und lecker ist es im Café Pförtner in der Uferstraße. Mit etwas Glück gibt es in den direkt daneben gelegenen Uferhallen eine tolle Ausstellung!

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