Lobbykritische Stadtführungen

An verregneten Herbsttagen lohnen sich Ausflüge ins brandenburgische Umland nur für Hartgesottene. Weil der November uns mit immer schnelleren Schritten entgegenschreitet, empfehlen wir euch, für einen der nächsten Samstagnachmittage eine spannende Stadtführung in Berlin einzuplanen. Am besten mit Schirm.

Die empfohlene Stadtführung führt euch ausgerechnet in jenen Stadtteil, den man normalerweise meiden sollte: nach Mitte, und zwar mittenrein ins Touristengetümmel. Das ist mehr als nervig, aber hochinteressant. Denn Mitte ist nicht nur Hochburg für Touristen, sondern auch für Lobbyisten. Vom Schiffbauerdamm bis zum Pariser Platz haben die mächtigsten unter den nichtparlamentarischen Mitentscheidern ihre Büros. Diese fungieren als Stationen der lobbykritischen Stadtführungen, die LobbyControl regelmäßig anbietet. Da sie (zu Recht) eine überaus hohe Popularität genießen, ist eine vorherige Anmeldung per E-Mail unverzichtbar.

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Nach bereits zwei lobbykritischen Stadtführungen mit zwei verschiedenen Guides, an denen wir teilgenommen haben, können wir das Format nur wärmstens empfehlen. Auch diejenigen, die sich gut mit Lobbyismus auskennen, lernen hier garantiert dazu, denn die Stadtführung wird immer wieder aktualisiert und neuen Entwicklungen angepasst. Die Guides sind in der Regel freie Mitarbeiter von LobbyControl und studierte Politikwissenschaftler. Sympathisch an ihnen ist, wie an der dahinterstehenden NGO, dass sie Lobbyismus nicht pauschal ablehnen – immerhin ist auch LobbyControl ist eine Lobby-Organisation. Vielmehr geht es um Gerechtigkeit und Transparenz, die weder im System der Bundesrepublik noch in der EU in ausreichender Weise gegeben ist.

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Zwischen Aufklärung über Gesetze und die lobbyistische Praxis, besonders umtriebige Lobbyorganisationen wie der Initiative Soziale Marktwirtschaft und Vokablen wie Drehtüreffekt und Karenzzeit geht es bei den knapp dreistündigen Stadtführungen gern auch mal unterhaltsam zu. Man darf sich der Anekdotenkenntnis der Guides sicher sein, sei es zum Thema Personalia oder zur Funktion des wie eine Mischung aus Geheimbund und Herrenclub konzipierten China Club, dessen Undurchsichtigkeit einer Jalousie gleicht, die einmal über die gläserne Kuppel des Reichstagsgebäudes gezogen wird.

Übrigens: Die nächsten Termine für die Stadtführungen stehen schon fest: 18. Oktober, 1. November, 15. November. Meldet euch rechtzeitig an!

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Mehr Informationen: Direkt beim Veranstalter LobbyControl.

Kostenpunkt: 10 gut investierte Euro pro Person

Was sich noch damit verbinden lässt: Wer nicht schnellstens die Flucht in einen angenehmen Stadtteil ergreifen möchte, könnte den angebrochenen Nachmittag bei einem guten Kaffee und einem Buch in der wirklich schönen Buchhandlung Ocelot in der Brunnenstraße ausklingen lassen.

Essen und Trinken: In unmittelbarer Nähe der lobbykritischen Tour ist alles auf die Bedürfnisse von Touristen und Lobbyisten zugeschnitten – kaum geeignet also, um sich hier lange aufzuhalten. Wer bereit ist, zwei Stationen mit der S-Bahn zu fahren, dem sei das schönste traditionelle Café in Mitte ans Herz gelegt: Das “Alte Europa”. Und wer sich doch noch nicht von dem Trubel Unter den Linden trennen kann, der gehe eben mal ins Café Einstein. Aber Achtung: Hier richten sich auf die Preise nach der Zielgruppe.

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